So einfach kann Hundetraining sein!

 

Ein Problem, welches sich über Monate, bei manchen Hunden auch über Jahre aufgebaut hat, wird in einer Stunde gelöst.

 

Das kann also ganz fix gehen. Ich habe ein Video gesehen, dessen Inhalt mich doch ziemlich erschüttert hat.

Der Trainer macht eine große Ankündigung, dass der Hund vorher getestet wurde und es sich herausgestellt hat, dass das Tier nur eine „Macke“ hat.  Er wird gleich eine Sache durchführen, die bei diesem Hund angebracht ist und ermahnt alle Zuschauer, dass sie das nicht nachmachen sollen. Warum zeigt er es denn?

Um welches Problem handelt es sich? Es wird eine kleine Hündin vorgestellt, die bei Ansicht anderer Hunde bellt. Das ist natürlich störend für die Hundebesitzerin. Sie hat schon einige Trainer aufgesucht, jedoch hat sie keine Hilfe erfahren, die diese Sache eliminiert hätte. Um es kurz zu machen:

Der Trainer bespritzt die Hündin im Moment des Bellens mit Wasser. Diese bekommt einen Schreck und ist sofort ruhig.

Das heißt, der Hund bellte nicht mehr bei Ansicht anderer Hunde. Diese Aktion wurde noch ein paar Mal wiederholt. Sieh an –  der Hund hat es jetzt gerafft! Der hält die Klappe! Geht doch!

Nun hagelt es viele tolle Erklärungen des Trainers für die Besitzerin und natürlich für die Zuschauer. Wenn man Strafmethoden einsetzt, braucht man natürlich eine Rechtfertigung. Man braucht die Bestätigung für den Einsatz dieser Methoden und natürlich auch Beweise für die Richtigkeit. Da kommt mir eine Frage in den Sinn: Warum wird denn eigentlich Lob und Belohnung nicht so intensiv gerechtfertigt?

 

Was ist da passiert?

Die kleine Hündin hat eine Strategie gelernt, ihrer Unsicherheit bei Begegnungen mit Hunden eine Stimme zu geben. Das Bellen ist ein Versuch der Distanzvergrößerung und eigentlich ein Ruf nach Hilfe. Hunde haben immer einen Grund, wenn sie bellen. Es ist ein Kommunikationsversuch, der aber in diesem Fall nicht gehört wird. Dass sie unsicher ist, zeigt ihre Körpersprache ganz deutlich in diesem Film. Der Trainer hat dies leider nicht erkannt und konnte das dann auch nicht der Besitzerin und den Zuschauern vermitteln. Nun wird der Hund im Moment seines Kommunikationsversuches mit Hilfe eines Strafreizes erschreckt. Das heißt, ein zweiter unheimlicher Reiz wirkt auf den Hund ein und verbessert nicht unbedingt die Lage des Hundes. Die Kleine hat einerseits ein Problem mit Hunden, die von vorne kommen und nun vielleicht auch noch mit Menschen, zumindest vielleicht mit Männern.

Tja, aber der Hund ist jetzt ruhig. Also Ziel erreicht? Wenn das Ziel ein eingeschüchterter Hund war, der in dieser Session nicht mehr bellt, dann kann ich das bejahen. Wenn ich aber meinem Hund entspanntere Begegnungen mit Artgenossen ermöglichen möchte, wenn ich meinem Hund Sicherheit und Vertrauen geben möchte, dann habe ich alles getan, dass dieses Ziel in weite Ferne gerückt ist.

In diesem Video sehe ich nur eine ganz klare Symptombehandlung. Es ist plump, unprofessionell, oberflächlich und ziemlich gemein! Es wird auf den Topf mit der kochenden Suppe einfach nur ein Deckel draufgemacht. So, fertig.  Jetzt sehe ich nicht mehr, dass es da drin brodelt und spritzt. Die kleine Hündin hat leider keine Chance, ihre Unsicherheit zu verlieren.

 

Diese anfängliche „Verbesserung“  (Klappe halten) wird nicht lange vorhalten. Das problematische Verhalten wird sich verschlimmern.

 

Es dauert vielleicht 3-4 Wochen, dann ist dasselbe Verhalten einfach wieder da, meistens in intensiverer Form. Die kleine Hündin weiß nicht, was sie anstelle des Bellens tun soll. Die Mühe hat sich keiner gemacht.

Was mir noch aufgefallen ist und ich bitte euch, darauf zu achten, wenn ihr strafbasierte Trainingstipps anschaut: Die Hündin hat keine positive Zuwendung bekommen (Lob, Markersignale, Click, Leckerchen), wenn sie gutes Verhalten gezeigt hat. Die Besitzerin wurde weder darin unterrichtet, noch gab es vom Trainer Lob für das Tier.

Der Hund zeigt aber gutes Verhalten und zwar anhand ihrer Körpersprache! Ja –  sie nimmt den Kopf herunter, sie macht Ausweichversuche, verlangsamt die Bewegung, sie bleibt stehen   – alles, bevor sie bellt und nichts davon wird ihr als gutes Verhalten angerechnet!
Die Hündin kommuniziert kaum mit der Besitzerin und die wenigen Versuche, die sie unternimmt, werden nicht beachtet. Stattdessen läuft die Besitzerin (natürlich auf Geheiß des Trainers) weiter auf die Gefahr zu.

Ach so, und der Hund hat natürlich erkannt, dass der Mann die Flasche hat! Tiere sind spezialisiert darauf, Gefahren zu erkennen und diesen auszuweichen! Menschen natürlich auch.
Also – sie hat es durchschaut, wer sie hier bespritzt und ist aus Angst vor weiterer Bedrohung still, nicht weil sie nun die kognitive Meisterleistung aufgestellt hat, bei Ansicht von Hunden nie mehr zu bellen.  Am Ende des Videos reagiert sie schreckhaft auf den Trainer und zeigt auch Übersprungsverhalten.

Ich finde, das ist eine sehr traurige Geschichte, die da öffentlich gepostet wird. Und sie wird Nachwirkungen haben, auch wenn der Trainer versucht, Warnungen von sich zu geben, die das Anwenden dieser Strafmethode betrifft. Auf der anderen Seite verharmlost er das bisschen Wasserspritzen, so dass sich betroffene Hundebesitzer sicher fühlen können, ihren Hunden nichts Schlimmes anzutun.

Hundebegegnung ist eines der größten Probleme unter Hundebesitzern und endlich gibt es eine so einfache Lösung! Es werden jetzt hunderte Besitzer diese Sachen nachmachen und es werden hunderte Hunde für ihren Hilferuf bestraft. Sie werden nicht gehört, es wird einfach drauf gespritzt!

 

Aber ich setze auf den gesunden Menschenverstand, auf den klugen Hundebesitzer, der seinen Hund gern hat und ihm wirklich helfen will.

 

Übrigens dauert das belohnungsbasierte Training nicht länger und ist vor allem nachhaltiger, ist fair, packt das Problem an der Wurzel an und bewahrt den Hund vor der Strafmethoden-Odyssee.

 

Ich bitte dich als Zuhörer, hinterfrage immer dein Bauchgefühl, hinterfrage deinen gesunden Menschenverstand, wenn du sogenannte Profis in Aktion siehst.

Es mag sein, dass es „Macken“ bei Hunden gibt, aber auch diese haben sich aus irgendeinem Grund entwickelt und sind ganz oft unbewusst durch den Hundebesitzer verstärkt worden. Das macht sicher ein Hundeliebhaber nicht mit Absicht. Aber da haue ich doch nicht drauf, sondern suche Kraft meines menschlichen Verstandes einen intelligenteren Weg, die Verhaltensweisen umzulenken!

Ich stelle mir gerade eine Frage: wenn du mit deinem zweijährigen Kind durch den Park gehst und von vorne kommt jemand mit einem großen Hund auf euch zu. Dein Kind weint und sagt: “Ich habe Angst vor diesem Hund, der da vorne kommt!” gibst du ihm dann eine Ohrfeige? Doch sicher nicht. Warum geht man dann so mit Hunden um?

Okay, übrigens spreche ich im nächsten Podcast über die lerntheoretischen Bedingungen, damit Strafe wirken kann. Wenn du das gehört hast, ist dir klar, dass es für die kleine Hündin nicht gut aussieht. Denn, wenn sie wieder bei Ansicht von Hunden bellt, straft die Besitzerin wahrscheinlich nicht hart genug und dann wird nachgerüstet.

Strafen sind ohne Diskussion ein interessantes Thema. Vor allem auch deshalb, weil einige Selbstdarsteller-Trainer auf Social-Media-Kanälen und im Fernsehen diesen Umgang als harmlos und gesellschaftlich akzeptabel darstellen.

 

Keiner muss das Zischen, Kneifen, Rucken, das Runterdrücken, das Wechseln eines Geschirrs gegen ein Würgehalsband oder das Verbot von Leckerchen akzeptieren!

 

Lasst uns über das Thema Strafe sprechen, bevor wir unseren Hunden Dinge antun, die sie nicht verdient haben und die sie nicht verstehen.

Auch hier gilt:  Augen auf bei der Trainerwahl!

 

Faire Grüße in die Hundewelt – eure Berit

 

 

Ein Verhaltensproblem kommt selten über Nacht, sondern es entwickelt sich allmählich.

Viele Faktoren, u.a. ständige Wiederholungen sorgen dafür, dass das Problem zur Belastung wird. Trotz des jedem Trainer zugänglichen Wissens um intelligente, moderne Verhaltensänderung wird immer wieder auf die angeblich schnelle Lösung mit Hilfe von Strafreizen gesetzt.

Es ist keine Lösung, ein Tier zu erschrecken, denn die Ursache des Verhaltensproblems ist damit nicht verschwunden.