Streit am Wassernapf – ganz alltäglich bei Sommerhitze

Zwei befreundete Frauen, zwei befreundete Hunde, ein Napf – und plötzlich kracht’s:

Bolle nähert sich dem Wassernapf, aus dem Hera gerade trinkt. Sie friert ein, knurrt, zeigt Zähne. Bolle weicht zurück. Als Bolle durch Birgit dennoch nähergezogen wird, denn schließlich soll ihre Hera höflich sein und mit ihrem Freund das Wasser teilen, eskaliert die Situation. Hera stürzte sich auf Bolle und es entsteht eine laute und wilde Keilerei.

Resultat:

  • ein schmerzhafter Biss in Birgits Hand

  •  kleine Schleimhautverletzung im Fang bei Bolle

  •  verschüttetes Wasser

  •  verunsicherte Hunde

  •  aufgebrachte Besitzerinnen, die sich die Reaktion ihrer Hunde nicht erklären konnten

Was war hier passiert?

  • Ein Hund ist im Besitz einer wichtigen Ressource – Hera am Wassernapf

  •  Ein anderer Hund nähert sich und wird zur Bedrohung – Bolle in der Nähe des Wassers

  •  Hera droht deutlich „Hau ab!“ – Bolle weicht zurück „Verstanden.“

  •  Bolle wird passiv an das Wasser platziert und Hera verteidigt mit Angriff ihre Ressource.

Erläuterung:

  • Verteidigung von Ressourcen ist eine normale Eigenschaft von Hunden und anderen Lebewesen, Menschen eingeschlossen

  •  Je wichtiger die Ressource, desto mehr Verteidigungsbereitschaft wird aktiviert

  •  Die Verteidigung beginnt mit ritualisiertem Verhalten: z.B. schneller fressen, steif werden, Lefzen kräuseln und Zähne zeigen, knurren, schnappen

  •  Wenn das beteiligte Lebewesen (Hund oder Mensch) diese Warnung ignoriert, muss der Hund deutlicher werden und startet Schein- oder echte Angriffe

 

Mythen zum Thema Verteidigung von Ressourcen:

  1. “Dieses Verhalten ist nicht normal!”
    Dieses Verhalten gehört zum genetischen Erbe des Hundes und sichert einen Überlebensvorteil. Es ist unterschiedlich stark ausgeprägt.
  2. “Da es eine genetische Veranlagung ist, kann man da nichts ändern.”
    Das wäre zu einfach. Es ist unmöglich zu trennen, welcher Teil des unerwünschten Verhaltens der erblichen Veranlagung entspringt und welcher Teil erlernt wurde.
  3. „Das Verhalten verschwindet, wenn der Hund genug Ressourcen hat.“
    Leider zieht die Logik des Menschen selten in die Denkweise von Hunden ein. Der Hund kann noch mehr Stress bekommen, da er nun sehr viele Ressourcen verteidigen muss.
  4. „Wenn der Hund hart genug bestraft wird, hört er damit auf.“
    Strafe funktioniert nur nach bestimmten Regeln und muss, wenn überhaupt, strategisch gut durchdacht und vor allem immer bei Auftreten des unerwünschten Benehmens erfolgen.
    Außerdem tritt nur eine Hemmung des Verhaltens auf, keine Änderung oder Löschung. Somit wird es gefährlich, wenn sich jemand Unbefangenes wie ein Kind der Ressource nähert.
  5. „Der Hund ist dominant und spielt den Boss!“
    Die leidigen Themen der Dominanz und Rangordnungstheorie dienen immer wieder als Erklärungsmodelle, auch wenn sie veraltet und immer wieder widerlegt worden sind. Wenn der Hund nun nach erfolgreicher Therapie seine Ressourcen nicht mehr verteidigt, ist er dann von seiner „Dominanz“ geheilt???

Es ist keine Frage, Ressourcenverteidigung kann gefährlich werden und sollte mit einem Verhaltenstherapeuten zusammen behandelt werden.

Genauso wichtig ist aber die Prophylaxe!

 

Hier einige Beispiele für Welpen, junge Hunde und Hunde, die nicht verteidigen:
  • Die Hunde lernen, Berührungen am gesamten Körper zuzulassen.
  • Diese Berührungen werden zuerst von den Besitzern, dann von anderen Erwachsenen und Kindern geübt.
  • Das Prinzip des Tauschens (welches unter Hunden nicht existiert) muss dem Hund auf positive Weise gelehrt werden.
  • Tauschen von Knabberstangen und Kauknochen gegen hochwertige Leckereien oder gleiche Dinge wird unter professioneller Anleitung als ritualisiertes Verhalten konditioniert.
  • Du kannst dich (mit Ankündigung) während des Fressens dem Futternapf annähern und extra Leckereien hinzufügen.
  • Habe während des Spazierganges ein wachsames Auge auf die Umwelt, damit du dem Hund nichts aus dem Maul zerren musst, sondern das Objekt der Begierde gut umkreist oder ins Tauschgeschäft gehst, falls der Hund doch schneller war.
  • Trainiere lange und intensiv an der Beißhemmung z.B. in gut geführten Welpengruppen. Die Beißkraft ist nach dem Zahnwechsel noch nicht voll entwickelt. Deshalb muss dein Hund immer wieder üben, seine Kieferkraft zu dosieren. Das dauert einen ganze Weile und ist eine äußerst wichtige Aufgabe in Bezug auf Gefahrenvermeidung.