Stress-Stacking
Wenn Olli einige Auslöser für Stress nacheinander erlebt hat, dann nimmt die Wahrscheinlichkeit des Beißens zu.
Diese Aussage trifft auf Olli und sicher einige andere Hunde zu, sollte aber nicht pauschalisiert werden. Jeder Hund reagiert individuell, hat seine bestimmten Auslöser für Stress und seine eigenen Strategien mit Stress umzugehen.
Im Fall von Olli hat das STRESS-STACKING stattgefunden, das „Stapeln“ von Stressauslösern.
Was gehört alles zu den Stressauslösern beim Hund Olli (nicht vollständig)?
- Dämmerung – Hunde werden wachsamer
- 2 Stunden Spiel mit anderen Hunden (!)- sehr anstrengend, denn es erfordert ständiges Kommunizieren, Einhalten der Spielregeln, Spielrollen übernehmen und abgeben, Pausen einleiten und beachten
- langer Rückweg an der Leine durch Straßen mit zunehmender Belebtheit
- Begegnung mit Flaschensammler auf Fahrrad (Versuch des Anspringens, inkl. bellen)
- enge Bürgersteige voller Menschen, da schönes Wetter war
- Rollerfahrer mittendurch
- genervte, nörgelnde Besitzerin, da Olli sehr viel geschnüffelt hat – psychischer Druck
Als sie schon in ihrer Straße waren, kam noch ein letzter Trigger hinzu: Eine Frau in einem langen, bunten Rock machte eine plötzliche und ungewöhnliche Bewegung.
Das Stresssystem des Hundes war vollkommen überlastet, er befand sich außerhalb seines Stresstoleranzfensters und eine instinktiv gesteuerte Handlung – Angriff als distanzvergrößernde Strategie – lief ab.
Dieser Hund hat ein tiefes Misstrauen gegenüber fremden Menschen und hat auf dem Weg bis zu diesem Zeitpunkt sehr viel ausgehalten. Jetzt waren seine Reserven erschöpft. Hinzu kommt noch der Schreck als Auslöser des impulsiven Verhaltens.
Was sind nun die nächsten Schritte?
- Auflistung von Stressoren
- Bewegungsmöglichkeiten optimieren
- Ruhephasen länger und ungestört
- Maulkorbtraining -wichtig für Bus, Bahn und enge Gassen
- Halti-Gewöhnung – sinnvolle Führhilfe in bestimmten Situationen
- bestimmte Trigger wie Enge, frontale Begegnungen mit Radfahrern, Flaschensammlern vermeiden
- spezielle Trainingsaufgaben wie „Schau+ Ablenkung“, Leinenfolge auf beiden Seiten, Ankündigung von Fremden, schnelle Umkehr usw.
Stress und Strafe
Du siehst, es gibt keine Strafe, auch wenn das Verhalten des Hundes nicht toleriert werden kann.
- Was sollte bestraft werden?
- Dass der Hund völlig überlastet war?
- Dass er durch Situationen geführt wird, die er freiwillig nicht aufsuchen würde?
- Dass er eine hundetypische Reaktion gezeigt hat, die wohlgemerkt nicht entschuldbar, jedoch erklärbar ist und sogar vorhersehbar gewesen wäre?
Der Hund ist dem Stress in der Großstadt nicht gewachsen, das hat er mehrmals schon deutlich gezeigt.
Glücklicherweise verändert sich das Umfeld durch einen Umzug an den Stadtrand demnächst. Es kann etwas Entspannung einziehen und strukturiertes Training begonnen werden. Wünschen wir der Familie und Olli das Beste und dass Niemand mehr seine Zähne zu spüren bekommt!
Warum läuft der Hund an 20 Personen vorbei und der 21. wird attackiert?
Du erfährst am konkreten Beispiel:
- warum dieser Hund in bestimmten Situationen Stress hat
- welche Stressauslöser sich angesammelt haben
- welche Reaktionen zu beobachten sind
- und welche Lösungsmöglichkeiten bestehen.
In Podcast #033 (“Das hat er ja noch nie gemacht!”) und #034 (Schnappen, pullern, rammeln – nu’ reicht es aber!) findest du Informationen zu den Symptomen von Stress und wieder ganz konkrete Beispiele, wie du dem Hund helfen kannst.